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Digitaler Vortrag zum Thema "Intersektionalität" von Tsepo Bollwinkel

Unsere Gesellschaft ist durch verschiedene Macht- und Herrschaftsverhältnisse geprägt. Diese regeln die Verteilung gesellschaftlicher Macht, den Zugang zu Möglichkeiten und die (Teilhabe-)Chancen, die die Menschen in unserer Gesellschaft haben. Dabei gibt es Personen(-gruppen), die Privilegien und Vorteile besitzen und Personen(-gruppen), die Benachteiligungen und Diskriminierungen erfahren.

Macht- und Herrschaftsverhältnissen sind u. a. Rassismus, Sexismus und Klassismus. Diese stehen jedoch nicht bloß nebeneinander. Sie sind vielmehr miteinander verbunden, überlagern sich und wirken zusammen. 

Dieses Zusammenwirken wird mit dem Begriff „Intersektionalität“ beschrieben, den Tsepo Bollwinkel in seinem Vortrag genauer erläutert.

Hier kann der Vortrag angeschaut werden:

Zum Hintegrund:

Der Grundgedanke der Intersektionalität kommt aus dem Schwarzen Feminismus. Die Geburtsstunde des Gedankens der Intersektionalität ist eine Rede von Sojourner Truth im Jahr 1851 bei einem Treffen der Women’s Rights Convention in Ohio. Truth trat dort auf die Bühne und wollte sprechen, aber es gab sowohl Männer als auch andere Frauen, die sie davon abhalten wollten. Einige Männer riefen dazwischen, dass Frauen zu „schwach“ und „zerbrechlich“ für politische Arbeit seien. Und weiße Feministinnen hatten Angst, dass Sojourner Truth, die selbst Sklavin war, die Aufmerksamkeit weg vom Frauenwahlrecht auf das Thema der Sklav*innenbefreiung lenken würde.

Dennoch hielt Truth ihre Rede und fragte „Ain’t I a woman?“ („Bin ich etwa keine Frau?“). Mit den Erfahrungen, die sie als Sklavin machte, zeigte sie den Männern, dass Frauen nicht schwächer sind als sie. Den weißen Feministinnen entgegnete sie, dass sie – (auch) als Schwarze Sklavin – eine Frau ist und daher sprechen darf. 

Sie zeigte, dass Rassismus und Sexismus verbunden sind und deshalb z.B. nicht alle Frauen die gleichen Erfahrungen machen – Schwarze Frauen und weiße Frauen sind nämlich unterschiedlich von Diskriminierung betroffen.

Den Begriff der Intersektionalität brachte schließlich die Juristin Kimberlé Crenshaw ein. 

Crenshaw untersuchte verschiedene Fälle, wobei sie feststellte, dass die Antidiskriminierungsgesetze in Amerika entweder im Sinne weißer Frauen oder im Sinne Schwarzer Männer wirkten. 

Schwarze Frauen waren daher von den Gesetzen nur geschützt, wenn ihre Erfahrungen entweder den Erfahrungen weißer Frauen oder den Erfahrungen Schwarzer Männer entsprachen. 

Mit dem Begriff der Intersektionalität wollte Crenshaw auf die spezifischen Erfahrungen Schwarzer Frauen aufmerksam machen, bei denen unterschiedliche Diskriminierungsformen, wie Rassismus und Sexismus, zusammenwirken. 

Den Begriff leitete sie von dem englischen Begriff „intersection“ ab – „Kreuzung“.

Nach Crenshaw können wir uns Intersektionalität vorstellen wie eine Straßenkreuzung. Die verschiedenen Diskriminierungsformen sind die Straßen. Eine Schwarze Frau würde zum Beispiel an der Kreuzung der Straßen „Rassismus“ und „Sexismus“ stehen. 

Wenn es dort zu einem Unfall – also einer Diskriminierung – kommt, kann nicht gesagt werden, aus welcher Richtung der Verkehr kam, der die Verletzung verursacht hat. Es kann auch eine Kombination aus dem Verkehr beider Straßen sein. 

Damit zeigt Crenshaw, dass es nicht ausreicht, Sexismus allein aus der Perspektive weißer Frauen oder Rassismus allein aus der Perspektive Schwarzer Männer zu betrachten. Denn so ließen sich die „Unfälle“, also Diskriminierungserfahrungen, von Menschen, die anders positioniert sind, an einer Kreuzung nicht greifen und verstehen.

Diese verschiedenen Perspektiven mitzudenken und das intersektionale Zusammenwirken verschiedener Macht-, Herrschafts- und Diskriminierungsverhältnisse zu berücksichtigen sind wichtige und notwendige Aufgaben für uns.